Attitude-Behaviour-Gap in der nachhaltigen Modeindustrie: Über Gründe, Auswirkungen und Ansätze zur Lösung des Problems

Text: Michael Reifenrath

Man muss kein Kenner der Branche sein, sondern eigentlich nur mit offenen Augen durch die Einkaufsstraßen und -zentren schlendern, um festzustellen, dass die Mode in unserem Alltag einen enormen Stellenwert eingenommen hat. Gerade jetzt locken wieder unzählige Marken mit unschlagbaren Herbst-Rabatten, nur um dann in einigen Wochen mit Top-Wintermode-Angeboten die Kunden zu ködern. Auch hier in Siegen lässt sich dieses Phänomen selbstverständlich beobachten. Für Fast-Fashion-Enthusiasten bietet Siegen einige Möglichkeiten. Filialen von Großkonzerne wie Zara, H&M, C&A, Only, etc. sind auch hier vertreten und machen jährlich hohe Umsätze. Die Modeindustrie ist also zweifellos einer der größten und einflussreichsten Wirtschaftszweige der Welt und hat eine starke, Achtung Wortspiel, Anziehungskraft, auf alle und besonders die sogenannten Fashion Victims. Also den Menschen, die der Mode zum Opfer werden, ihr verfallen und somit regelmäßig ihr Geld in großen Mengen den großen Modeketten zuwerfen. Doch nicht nur die Fashion Victims sind Opfer der Modebranche, sondern unsere Umwelt und damit wir alle.

Aufgrund der Globalisierung wandelt sich unsere Welt in rasender Geschwindigkeit. Insbesondere in der Textilbranche erstrecken sich die Wertschöpfungsketten oft über tausende von Kilometer und mehrere Kontinente. Dass Hosen, Kleider und T-Shirts in fernen Ländern produziert werden, gehört mittlerweile zum Alltag unserer globalen Konsumgesellschaft. Eine der Branchen, die vom weltweiten Handel und der internationalen Arbeitsteilung am meisten profitiert hat, ist die Textilindustrie. Ausgehend von der Baumwollherstellung über das Design bis hin zur Produktion und Vermarktung ist der gesamte Wertschöpfungsprozess sehr stark fragmentiert und auf verschiedene Länder in der Welt verteilt. Diese Tatsache ist erstmal nicht unbedingt neu. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Branche jedoch weiterhin stark verändert: die sogenannte Fast Fashion dominiert heute den Markt. Diese rasante Produktions- und Konsumpraxis hat zu einer immer schnelleren Rotation von Kleidungsstücken geführt, wobei Trends in Windeseile von den Laufstegen in die Kleiderschränke der Verbraucher gelangen. Allerdings geht der Erfolg von Fast Fashion mit erheblichen ökologischen und sozialen Problemen einher.

Mittlerweile gibt es jedoch einige kleinere Unternehmen und Start-Ups, die sich auf die Fahne schreiben, dass ihre Kleidung nachhaltig produziert wird. Auch große Unternehmen in der Mode-Branche haben nachhaltige Kollektionen im Angebot. Diese Entwicklung ist nur logisch, denn das Bewusstsein für die umweltschädigenden Auswirkungen der massenhaften Kleidungsproduktion nimmt zu. Der Marktanteil, nachhaltiger Mode ist dennoch weiterhin als gering einzustufen. Das liegt interessanterweise auch an den VerbraucherInnen selbst. Denn, typisch für nachhaltige Produkte, spielt auch beim Kauf nachhaltiger Mode die sogenannte Attitude-Behaviour-Gap eine nennenswerte Rolle.

Dieser Beitrag beschäftigt sich grundsätzlich mit dem Thema nachhaltige Mode und den Problemen von Fast Fashion, wobei ein besonderer Fokus auf der Untersuchung der ökologischen und sozialen Auswirkungen gelegt wird. Ziel ist es, einen umfassenden Einblick in die Herausforderungen zu geben, die mit der gegenwärtigen Produktions- und Konsumpraxis in der Modeindustrie einhergehen, und gleichzeitig mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen, um eine nachhaltigere Zukunft zu ermöglichen. Weiterhin werden Merkmale und die Entwicklung der Slow Fashion herausgearbeitet. Anschließend wird auf das Phänomen der Attitude-Behaviour-Gap eingegangen und welche Rolle sie in der (nachhaltigen) Modeindustrie spielt. Nach diesem theoretischen, folgt der praktische Teil dieser Projektarbeit: Am Beispiel des nachhaltigen Modelabels Waldliebe, soll im Rahmen eines Interviews mit dem Gründer, Herrn Robin Stockschläder, herausgefunden werden, wie die beschriebene Attitude-Behaviour-Gap überwunden werden kann.

In Anbetracht der Dringlichkeit und der globalen Bedeutung des Themas ist es von großer Relevanz, die Auswirkungen von Fast Fashion zu verstehen und effektive Lösungen zu finden. Dieser Blogbeitrag trägt dazu bei, das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines nachhaltigen Modekonsums zu schärfen und gleichzeitig Forschung und Diskussionen auf diesem Gebiet zu fördern. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, dass die Strategie von Waldliebe für andere nachhaltige Modeunternehmen als Best-Practise-Beispiel dient.

Was ist Fast Fashion?

Seit etwa zwei Jahrzehnten nimmt die Entwicklung hin zur Fast Fashion immer mehr Fahrt auf und ist als weiteres Symptom der Wegwerfgesellschaft zu verstehen (vgl. Carey und Cervellon 2014, Kim et al. 2013, Watson und Yan 2013, Sheridan et al. 2006).  Doch womit hat man es bei Thema Fast Fashion eigentlich genau zu tun. Hazel Clark (2008: 428) schreibt in ihrem Werk „Slow + Fashion – an oxymoron – or a promise for the future…?“, welches in Fashion Theory the journal of dress, body and culture erschienen ist, folgendes:

„In the early twenty-first century, as fast fashion has become a commonplace on the high street, global brands such as Zara and H&M clamor for greater shares of the market. Technology has facilitated “just in time” manufacturing and has enabled faster retail turnover. Styles, and moreover clothes themselves are being produced with shorter lifespans than ever before. Cheap fabrics, low salaries, and worker exploitation continue to be both the products and also the casualties of the fashion industry.“ (Clark 2008: 428)

Claudia Banz (2016: 4) fasst den Begriff Fast Fashion wie folgt zusammen: „Fast Fashion steht also in erster Linie für Beschleunigung und damit für die Globalisierung von modischem Mainstream; für die Produktion und den Handel; für den Gebrauch und Verschleiß von Kleidung.“ Es handelt sich also um eine Mode, die durch Schnelligkeit, Trendbewusstsein und niedrige Preise geprägt wird (vgl. Carey und Cervellon 2014, Watson und Yan 2013, Sheridan et al. 2006). Dabei werden neue Modetrends umgesetzt und zu einem günstigen Verkaufspreis für den Massenmarkt produziert. Die Schnelligkeit bezieht sich dabei auf eine effizient funktionierende Lieferkette zwischen Produktion und Verkauf, um auf die Nachfrage nach den schnell aufeinander folgenden Modetrends zu reagieren. Hintergrund dieses Trends ist es, die High-Fashion Mode der erfolgreichsten DesignerInnen auch für GeringverdienerInnen erreichbar zu machen, indem Modetrends entsprechend für den Massenmarkt kopiert werden (vgl. Carey und Cervellon 2014: 12). Fast Fashion und Konsumgesellschaft beeinflussen sich dabei gegenseitig: Einerseits bedienen die Bekleidungsunternehmen die Sehnsucht nach dem immer Neuen dadurch, dass sie in kürzester Zeit immer neue Kollektionen auf den Markt bringen. Möglich sind inzwischen zehn Tage vom Entwurf bis zur Auslieferung. Als global agierende Unternehmen fahren sie zudem eine Preispolitik, die es den KundInnen ermöglicht, sich häufiger als tatsächlich notwendig mit neuer Kleidung einzudecken. Neben dem Preis gilt die Macht der Marke, sie wird zum wichtigsten Unterscheidungsmerkmal für die KonsumentInnen. In keinem Bereich der Konsumgüterindustrie funktioniert das Prinzip „neue Bedürfnisse schaffen“ so gut wie in der Modebranche.

Das Bewusstsein für die Tatsache, dass Fast Fashion in vielerlei Hinsicht negativ konnotiert ist, wächst. Die folgenden drei Punkte lassen sich im aktuellen Diskurs dabei am häufigsten vorfinden:

Konsumverhalten und Überproduktion

Die Fast-Fashion-Kultur fördert einen Wegwerf-Mindset und impulsiven Konsum, was zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch führt. Die Fast Fashion-Hersteller verlocken ihre KonsumentInnen durch eine gezielt niedrige Preispolitik dazu, häufiger und mehr Kleidung zu kaufen, als sie eigentlich benötigen. Fast Fashion verändert auf diese Weise das Kaufverhalten. Im Durchschnitt besitzen die KonsumentInnen heute vier Mal mehr Kleidung als 1980 (Banz 2016: 7). Der billige Konsum sorgt für einen schnellen Austausch und eine kurze Nutzungszeit: Manche Kleidungsstücke werden im Durchschnitt nur 1,7-mal getragen und bis zu 20 hängen ungetragen im Kleiderschrank, bevor sie entsorgt werden.  Billigmode ist im Allgemeinen nicht auf Langlebigkeit ausgelegt. Sie geht häufig schneller kaputt und wird entsprechend schneller entsorgt. Somit trägt Fast Fashion in doppelter Hinsicht zum Ansteigen der Altkleiderberge bei.

Soziale Auswirkungen

Die schnelle Produktion von Kleidungsstücken hängt oft mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den Fabriken, insbesondere in Entwicklungsländern, zusammen. Eine Studie von Niklas Egels-Zandén und Mikael Löfström (2018) zeigte etwa, dass Arbeitsrechtsverletzungen wie niedrige Löhne, Überstunden und mangelnde Gewerkschaftsrechte in der Bekleidungsindustrie weit verbreitet sind. Laut dem Global Slavery Index waren im Jahr 2018 schätzungsweise 40 Millionen Menschen weltweit von moderner Sklaverei betroffen. Die Textilindustrie nimmt dabei eine wichtige Rolle ein. Dazu werden Sicherheitsstandards oft ignoriert. Die Produktionsverlagerung von Bekleidung in die Niedriglohnländer spiegelt die durch die Globalisierung ausgelöste soziale Abwärtsspirale wider. Einerseits bietet gerade die Bekleidungsindustrie Arbeitsplätze und Einkommen für Millionen ungelernter Kräfte, darunter hauptsächlich Frauen. Andererseits sind die Konditionen für den vermeintlichen Weg aus der Armut sehr fraglich (vgl. Banz 2016: 7).

Grundsätzlich gilt: von den Erträgen in den Abnehmerländern kommt in den Entwicklungsländern nicht viel an. Durch die Produktionsverlagerung geben sie zu allem Überfluss auch ihre Verantwortung für die Einhaltung von Sozialstandards ab. Die Verlierer sind natürlich die Näherinnen, die häufig durch unbezahlte Mehrarbeit dazu beitragen, dass die Fast-Fashion-Unternehmen, für die sie produzieren, die engen Lieferfristen erfüllen und die westlichen KonsumentInnen alle zwei Wochen eine neue Kollektion erwerben können

Umweltauswirkungen

Nach Heckmann (2018: 302) ist das Wachstum von Fast Fashion seit der Jahrtausendwende fast vollständig auf den verstärkten Einsatz synthetischer Fasern zurückführen. Diese Fasern verbrauchen endliche Rohstoffe und belasten sowohl bei der Produktion als auch nach dem Gebrauch die Umwelt.

Hinzu kommt die Tatsache, dass die Herstellung von Bekleidung generell mit einem enormen Ressourcenverbrauch und einer nicht zu unterschätzenden Umweltbelastung einhergeht. Egal ob Rohstoffgewinnung, Transport, Gebrauchsphase oder Entsorgung: Es werden Unmengen Wasser und thermische Energie benötigt. Beim Baumwollanbau kommen außerdem Pestizide zum Einsatz und im weiteren Verlauf der textilen Kette werden im Produktions- und Verarbeitungsprozess an die 7.000 unterschiedliche Chemikalien eingesetzt, um die Kleidung mit bestimmten ästhetischen oder funktionalen Eigenschaften (von sandgestrahlter Jeans bis Outdoor- oder Wellnesskleidung) zu veredeln. Bekleidungstextilien müssen komplexe Funktionen erfüllen. Sie schützen den Träger vor Umwelteinflüssen und unterstützen den Körper beim Sport, in der Freizeit und im Beruf. Um diesen unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden, wird Bekleidung unter Einsatz von Chemikalien veredelt, wobei für 1kg Textilien bis zu 1kg Chemikalien und bis zu 300 l Wasser benötigt werden (Vgl. Banz 2016: 6). Wie bereits erwähnt, werden nicht nur in der Gewinnung der Rohstoffe und Herstellung der Fasern, sondern auch in der folgenden finalen Produktion der Kleidungsstücke große Mengen an Wasser und Energie in Form von Erdöl, Kohle und Gas benötigt. Hinzu kommen die Abfallbelastung und die Abgasemission auf den Produktions- und Handelswegen von Asien nach Europa oder Nordamerika. Die spezifische Umweltbelastung ist dabei stark abhängig von der jeweiligen Faser und deren Weiterverarbeitung. So sind im Baumwollanbau, wie auch in der Schafhaltung, Wasserverbrauch und Flächenbedarf besonders gravierend. Baumwolle, die einen Marktanteil von ca. 30% besitzt, hat einen Gesamtflächenbedarf von ca. 33 Mio. ha (Stand 2014). Dem gegenüber stehen 70 Mio. ha für die Schafhaltung, obwohl Wolle nur einen Marktanteil von etwa 1% besitzt. Synthetische Chemiefasern beanspruchen mit ihrem Marktanteil von 70% so gut wie keine Landflächen, jedoch werden bei ihrer Herstellung nicht erneuerbaren Ressourcen verbraucht:  Synthetische Chemiefasern werden in der Regel direkt aus Erdöl hergestellt.

Auch die eigentliche Gebrauchsphase wirkt sich, wie bereits angeklungen, negativ auf die Ökobilanz aus. Abhängig von der Nutzungsdauer eines Kleidungsstücks werden beim Waschen, Reinigen und Pflegen besonders große Mengen an Wasser, Energie und Tensiden eingesetzt. Nach Banz (2016: 12) entfallen bei durchschnittlich 55 Waschgängen ein Drittel der verursachten CO2- Emission eines weißen Damenshirts aus Baumwolle auf die Gebrauchsphase. Dies entspricht der CO2- Emission einer 40 Kilometer langen Autofahrt. Doch auch die Entsorgung von Altkleidern verbraucht beachtliche Mengen thermische Energie. Bekleidungsstücke aus dem Fast-Fashion-Segment sind häufig von derart schlechter Qualität, dass sie nicht aufbereitet und als Secondhandware weiterverwendet werden können.

Warum bestimmt Fast Fashion den Markt?

Die kurze Antwort auf die Frage lautet: Wir sind in der Regel das Problem und nicht das Produkt. Die ausführliche Antwort sieht wie folgt aus.

In der Literatur werden hauptsächlich vier Gründe genannt. Nach Kate Fletcher (vgl. 2012: 225) sind das:

  1. Ästhetische Gründe: Das veränderte Aussehen macht das gekaufte Produkt überflüssig
  2. Soziale Gründe: Sich verändernde soziale Normen und Vorlieben sorgen dafür, dass das gekaufte Produkt nicht mehr getragen wird
  3. Technologische Gründe: Sich verändernde technologische Rahmenbedingungen machen das gekaufte Kleidungsstück überflüssig
  4. Ökonomische Gründe: Die niedrige Kostenstruktur der Modeindustrie fördert das Wegwerfen und Neukaufen, anstelle des Instandhalten

Die ästhetischen und sozialen Gründe schaffen einen kulturellen Rahmen, in dem ein Kleidungsstück nicht mehr anerkannt wird. Diese beiden Punkte spielen in der Diskussion zum Thema Fast Fashion auch die größte Rolle. Diese kulturelle Komponente ist dabei für eine Kreislauf zuständig, der in keiner Branche so stark vorhanden ist, wie in der Modebranche. Der „cycle of invention, acceptance and discard“ (Fletcher 2012: 225) bestimmt die Industrie. Ein neues Kleidungsstück wird entworfen, auf den Markt gebracht und dort von der breiten Masse als begehrenswert angesehen und entsprechend gut verkauft. Vom Konsumenten wird es eine Zeit lang getragen, bis einer oder mehrere der genannten vier Gründe zum Tragen kommt. Oft Punkt eins oder zwei. In der Folge wird das Kleidungsstück aussortiert, denn „Fashion can only advance by punishing the no longer fashionable” (1994: 54) (Fletcher 2012: 225).

Es handelt sich um einen endlosen Zyklus, der sich unzählige Male so, jeden Tag abspielt. Interessant ist in dieser Hinsicht auch der folgende Punkt:

„In the fashion sector each new circuit of this cycle offers little in the way of material development or progression. Rarely does a new item better protect our bodies physically or offer enhanced functionality; rather we buy afresh to make visible our identity both as an individual and part of larger social groups within a particular place and time.“ (Fletcher 2012: 225)

Wir kaufen die neue Kleidung oft nicht, weil wir dezidierte Vorteile davon haben. Die Produkte sind oft nicht besser, sondern und das unterstreicht die Relevanz der Punkte eins und zwei, sie haben im Grunde den Zweck eines Statussymbols inne. Soziale und erlebnisbezogene Dimensionen beeinflussen als in hohem Maße das Nutzungsverhalten und damit die Lebensdauer von Kleidungsstücken. Mode hat dementsprechend eine zutiefst soziale Natur: was eine Person über einen längeren Zeitraum trägt, hängt maßgeblich von den Handlungen und Entscheidungen anderer Menschen ab (vgl. Fletcher 2012: 222).

Trotz diesen stark sozial-kulturellen Faktoren konzentrieren sich die meisten Arbeiten in diesem Bereich auf die Haltbarkeit, die von einem Produkt selbst ausgeht, und nicht von der „Lebenswelt“ und den sozialen Aktionen des Benutzers. Und darin, das will diese Arbeit auch nochmal klarmachen, liegt ein großer Irrtum vor. In der Mehrheit der Fälle bestimmen die NutzerInnen, wie lange ein Produkt getragen wird und nicht das Produkt selbst. An Fast Fashion haben wir also alle unseren Anteil.

Slow Fashion als Gegenentwurf und Zukunftskonzept

In den letzten Jahren hat sich so etwas wie ein Gegenentwurf zur Fast Fashion entwickelt: Slow Fashion. Sie fokussiert sich weniger auf Modetrend. Vielmehr steht eine nachhaltige, umweltbewusste Produktion, die qualitativ hochwertige Kleidung hervorbringt und ethische sowie nachhaltige Aspekte in den Vordergrund stellt, im Fokus (vgl. Van de Pol 2018: 13).

Slow Fashion, welche auch als Sustainable-, Fair-, Eco-, Green-, oder Ethical Fashion bekannt ist (vgl. Henninger 2016: 400; Lundbald/Davies 2015: 150) beschreibt den Wandel hin zu mehr Verantwortung und Respekt für Mensch und Umwelt und ein verändertes Bewusstsein gegenüber dem Produkt, dessen Ursprung sowie dem eigenen Konsumverhalten. Slow Fashion bedeutet Entschleunigung: für die umweltschonende Herstellung und Auswahl der Rohstoffe; für die nachhaltige Produktion und die hochwertige Verarbeitung, für den fairen Handel, für den Gebrauch und die Haltbarkeit von Kleidung. Angelehnt an andere „Slow“-Bewegungen wie Slow Food besitzen die Produkte oftmals eine regionale Herkunft mit kurzer Produktionskette. Die einzelnen Schritte von der Faser bis zur Verarbeitung sind sicht- und leichter nachvollziehbar. Dabei wird möglichst auf Chemie verzichtet und auf die Entwicklung neuer nachhaltiger Materialien und zukunftsfähiger ressourcenschonender Technologien gesetzt. Nachhaltige Mode ist in der Regel durch bestimmte Textilsiegel zertifiziert. Zur Slow Fashion zählt nicht nur aus biologischen und recycelten Materialien hergestellte Mode, sondern auch gebrauchte Kleidung. Das Prinzip des Wegwerfens und Neukaufens bekommt durch den Second-Hand-Trend eine starke Gegenbewegung. Im Internet finden sich zahlreiche neue Kleidertausch- und Secondhandplattformen, die sogar Designer-Mode zur Miete anbieten. Außerdem erleben Vintage-Geschäft, die auch als Thrift-Stores bekannt sind, einen regelrechten Hype. Hierbei handelt es sich um Second-Hand-Geschäfte, die sich auf Kleidung spezialisiert haben, nicht selten, Designer-Items im Repertoire haben und bei denen der Kunde oft Pro-Kilo einkauft und bezahlt. Insbesondere der Trend dieser Geschäfte ist stark auf den Hype um die Mode aus den späten 90er und frühen 2000er Jahren, den Geburtsjahren der Gen Z zurückzuführen, die auch gleichzeitig die Hauptklientel der Vintage-Shops ausmacht. Die Aufwertung des Vergangenen ist dabei erst einmal nichts neues und zeigt sich ebenfalls ganz deutlich im sogenannten „Used Look“ der Denimbranche. Hier werden neue Textilien aufwendig „auf alt“ gemacht und dem Kunden als benutzt angeboten. Ganz bewusst wird versucht, eine Aura von Authentizität, individueller Geschichte und jugendlicher Provokation zu konstruieren, oft in Anlehnung an subkulturelle Jugendmoden des 20. Jahrhunderts, wie z. B. dem Punk und dem Grunge (vgl. Van de Pol 2018: 31).

Die Geschichte langsamer Mode

Die Anfänge der Slow Fashion reichen ebenfalls auf das 20 Jahrhundert zurück. Erste Überlegungen zum Thema Mode und das ihre massenhafte Produktion möglicherweise negative Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte, wurden schon in den 1960er Jahren getätigt. Schon damals wurden Hersteller, wenn auch ohne den nötigen Nachdruck darauf hingewiesen, die Produktionspraktiken anzupassen. In den 1980er Jahren wurden dann erste Anti-Pelz-Kampagnen gestartet. In den 1990er Jahren stieg das Interesse für nachhaltige Mode dann immer mehr an (vgl. Henninger 2016: 400). Dieses wachsende Interesse in nachhaltige Mode hat schließlich auch dazu geführt, dass große Mode-Häuser und Großunternehmen tätig wurden. Die britische Designerin Stella McCartney veröffentliche 2001 ihre erste Modelinie, bei der komplett auf Leder und Pelz verzichtet wurde. 2004 wurde dann die erste Ethical Fashion Show in Paris veranstaltet. Fünf Jahre später folgte die New York Eco Fashion Week. Und 2010 wurde die erste offizielle nachhaltige Modenschau in London veranstaltet. Hierbei waren sogar weltweite Bekannte, renommierte Marken wie Louis Vuitton involviert. Als direkte Folge zogen Marken wie H&M und Zara mit ersten umweltbewussten Kollektionen für Jedermann nach (vgl. Lundblad/Davies 2015: 150).

Heute haben viele der Global Player im Fashion Business nachhaltige Kollektionen im Angebot. Gleichzeitig gibt es jedoch auch immer mehr kleinere Start-Ups, die mit komplett nachhaltiger Mode auf den Markt gehen. In Deutschland haben sich zum Beispiel, dass spanische Modelabel TWOTHIRDS, sowie die Kölner Unternehmen ARMEDANGELS und LANIUS in diesem Nischenmarkt einen Namen gemacht (vgl. Haddick 2018: 113).

Dennoch muss man sagen, dass sich die wirtschaftliche Bedeutung von nachhaltiger bislang in Grenzen hält. Im Vergleich zur gesamten deutschen Bekleidungsindustrie mit einem Nettoumsatz im Einzelhandel von 31,02 Mrd. Euro im Jahr 2014 errechnet sich aktuell ein Nettoumsatz für Öko-Textilien von etwa einer Milliarde Euro (Van de Pol 2018: 13)

Das Problem des Attitude-Behaviour-Gaps

Laut einer aktuellen, repräsentativen Studie, die vom Marktforschungsinstitut Dr. Grieger & Cie. (Slow Fashion Monitor 2016) durchgeführt wurde, wünschen sie sich auch von Fast-Fashion-Anbietern mehr nachhaltige Mode im Sortiment. Knapp drei Viertel der Befragten halten Nachhaltigkeit in Bezug auf Bekleidung für wichtig. Eine klare Angelegenheit also eigentlich…

Im kapitalistischen System ist es allerdings bekannterweise so, dass es am Ende an der Nachfrage der Konsumenten liegt, ob Unternehmen langfristig Erfolg haben können. Denn eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg von Slow Fashion ist zum einen das Bewusstsein der KonsumentInnen für nachhaltige Kleidung und zum anderen die Bereitschaft, nachhaltige Kleidung auch tatsächlich zu kaufen. Nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der dpa empfinden 40 % der Befragten faire Produktionsbedingungen in der Textilbranche als sehr wichtig. Zudem sagten lediglich 31 %, auf keinen Fall ein Produkt zu kaufen, das bekanntlich unter schlechten Produktionsbedingungen hergestellt wurde. Auf der anderen Seite sind 51 % der Befragten der Meinung, dass ein Preis von 10 € für ein T-Shirt angemessen sei. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass älteren Kunden sowie Frauen das Thema Nachhaltigkeit wichtiger ist als jüngeren Kunden sowie Männern (YouGov 2014). Die Ergebnisse werden von einer Studie von Greenpeace unterstützt, die sich mit dem Konsum- sowie Kaufverhalten im Bereich Mode beschäftigt. Demnach achten 25 % der Befragten gezielt darauf, nachhaltige, umweltfreundliche oder fair produzierte Mode zu kaufen. Trotzdem wünschen sich 39 % der Befragten, dass die Modeunternehmen zur Rücknahme und Recycling von Kleidung verpflichtet werden (Greenpeace 2015). Zusammenfassend ist festzustellen, dass bereits ein höheres Bewusstsein für die Bedeutung des Themas vorhanden ist, als die eigentliche Bereitschaft, danach zu handeln (vgl. Haddick 2018: 113)

Diese Diskrepanz wird auch als Attitude-Behaviour Gap bezeichnet. Dieser bezieht sich auf die Diskrepanz zwischen den Einstellungen (Attitudes) einer Person zu einem bestimmten Thema und ihrem Verhalten (Behaviour) in Bezug darauf. Wenn es um den tatsächlichen Kauf nachhaltiger Produkte geht, ist dementsprechend eine deutliche Diskrepanz zwischen der Einstellung zu nachhaltigem Konsum und dem tatsächlichen Verhalten zu beobachten. Während beispielsweise in verschiedenen Umfragen 30 bis 50 % der Verbraucher angeben, dass sie beabsichtigen, nachhaltige Produkte zu kaufen, beträgt der Marktanteil dieser Waren häufig weniger als 5 % des Gesamtumsatzes (vgl. Terlau/Hirsch 2015: 159).

Nach Terlau und Hirsch (2015: 161) beeinflussen viele verschiedene individuelle, soziale und situative Faktoren den Entscheidungsprozess. Darunter sozioökonomische Merkmale wie Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen, aber auch Bedürfnisse und Wünsche, Motivationen, persönliche Werte und Normen, Gewohnheiten sowie Handlungsfähigkeiten (kognitiv, Zeit, Preis und Informationsbeschaffung).  Soziale Größen umfassen gesellschaftliche Normen, die sowohl in den kulturellen Kontext als auch in die Massenmedien mit ihrer Agendasetzung eingebettet sind.  Situationsparameter beziehen sich auf den Kaufakt und die konkrete Kaufsituation (z. B. Sichtbarkeit von Produkten in den Verkaufsregalen), Anreize (z. B. politische Anreize) sowie Konsumoptionen (z. B. Verfügbarkeit nachhaltiger Produkte).

Die Attitude-Behaviour-Gap ist im Modebereich genauso ausgeprägt, wie in allen anderen Bereichen des ethischen Konsums. Viele der Wachstumshemmnisse in der Mainstream-Nachhaltigkeitsmode lassen sich daher wahrscheinlich aus der vorhandenen Literatur zum ethischen Konsum ableiten. Tatsächlich stellt Joergens (2006) fest, dass Verbraucher nur eine begrenzte Auswahl an nachhaltiger Kleidung haben, da die Preise nicht mit der für sie verfügbaren Billigmode vergleichbar sind. Sie stellte fest, dass VerbraucherInnen das Aussehen und den Stil nachhaltiger Mode als unattraktiv empfinden und nicht zu ihren Garderobenbedürfnissen passen. VerbraucherInnen kommentieren auch, dass Produktmerkmale wie Preis, Qualität und Aussehen der Kleidung Vorrang vor der Ethik bei Kleidungsentscheidungen hätten. Folglich muss Kleidung nicht nur nachhaltig sein, sondern auch den ästhetischen Bedürfnissen der VerbraucherInnen entsprechen. Ethischer Konsum ist also maßgeblich abhängig von den Imperativen des individuellen Kundegeschmacks. Und da spielen Aussehen und Qualität eine entscheidende Rolle.

Die Aufrechterhaltung dieser hochwertigen Aspekte der Produkte ist daher von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Marken. Dies ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, zeigen doch Vielkonsumenten eine Veranlagung, den Konsum reduzieren zu wollen. Sie wollen aktiv seltener kaufen. Das bedeutet also, dass nachhaltige Marken wahrscheinlich nie mit hohen Produktumsätzen konkurrieren werden. Daher könnten alternative Formen des Geschäftswachstums von potenziellem Interesse sein: Reparaturdienste, Recycling von Kleidungsstücken und Bekleidung mit austauschbarem Zubehör, um die Nutzbarkeit und den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern (vgl. Terlau/Hirsch 2015: 162).

Im Hinblick auf die Gewinnung neuer Kunden liegen die wichtigsten Verkaufsmerkmale nachhaltiger Mode auf zeitlosen Schnitten oder einzigartigen Schnitten, Langlebigkeit, natürlichen Materialien und möglichen gesundheitlichen Vorteilen, wie der Vermeidung von Chemikalien in Produktionsprozessen. Dies alles sind Verkaufsargumente, die Verbraucher zum Kauf von Marken verleiten könnten. Sie sprechen egoistische Bedürfnisse an und fördern einen Mehrwert für die Verbraucher, der sich wiederum in den höheren Preisen widerspiegelt. In PR-Kampagnen sollten sich die Unternehmen nach Terlau und Hirsch (2015: 163) auch darauf fokussieren, die Vorteile ihrer Produkte aufzuzeigen und auf diese Weise neue KundInnen zu gewinnen.

Fallbeispiel Waldliebe

Es wurde bisher herausgearbeitet, was Fast Fashion ist, welche Gefahren von dem Trend ausgehen und warum die schnelle Mode so erfolgreich ist. Gleichzeitig wurde auch die Gegenbewegung erläutert – Slow Fashion. Mode mit einer nachhaltigen Herangehensweise, hat jedoch bisweilen einen schweren Stand. Die Menschen sind, laut Umfragen bereit, mehr Geld für nachhaltige Mode auszugeben und fordern auch gleichzeitig mehr nachhaltige Kleidung auf dem Markt. Tatsächlich kaufen tun es aber dann doch die Wenigsten. Damit haben wir es hier mit einem klassischen Beispiel für eine Attitude-Behaviour-Gap zu tun, die ebenfalls ausführlich behandelt wurde. Terlau und Hirsch (2015: 160) haben auch konkrete Möglichkeiten genannt, wie Unternehmen im Feld der Slow Fashion, die Attitude-Behaviour-Gap schließen könnten. Diese erschienen mir allerdings als zu wenig konkret. Das Auflisten der qualitativen Vorzüge eines Produkts ist wenig spezifisch und wird genauso von Fast Fashion marken genutzt. Im Rahmen dieser Projektarbeit habe ich mich deshalb gefragt, wie Unternehmen und Start-Ups, die nachhaltige Mode produzieren, konkret vorgehen, um die Lücke zu schließen. Dafür habe ich mir das Modelabel Waldliebe genau angeschaut und ein Interview mit dem Gründer, Robin Stockschläder, geführt. Aus diesem semistrukturierten, qualitativen Interview, ergab sich schlussendlich ein interessanter Ansatz, den ich näher erläutern werde. Die folgenden Aussagen sind, sofern nicht anders angekündigt, aus dem Interview übernommen, welches als Transkript im Anhang platziert ist.

An dieser Stelle ein kurzer Disclaimer: Bei dem nun folgenden Textteil handelt es sich keinesfalls um Werbung. Stattdessen wird das Konzept eines Slow-Fashion-Unternehmens, mitsamt der Vision dahinter, vorgestellt.

Die Idee für Waldliebe entstand im Jahr 2020, während des Corona-Lockdowns. Im Winter 2021 stand dann das fertige Konzept, samt eigenem Online-Shop. Als Argumente für die Gründung, nannte Herr Stockschläder die Probleme, die Fast Fashion mit sich bringt, sowie der regionale Aspekt des Bäumepflanzens in der Heimat, zudem wir später noch einmal genauer kommen. Insgesamt ist Herr Stockschläder der Meinung, dass kleinen Unternehmen die Gründung stark erschwert wird. Vor allem die verschiedenen Siegel und Produktionsstandards erwiesen sich als problematisch. Auf der einen Seite mangelt es an Ansprechpartnern auf der anderen Seite ist die Erlangung bestimmter Siegel mit hohen Kosten und zahlreichen Gutachten verbunden, die sich, insbesondere zu Beginn der Existenzgründung als oft unüberwindbare Hindernisse erweisen würden. Genau aus diesem Grund ist Waldliebe, laut Herrn Stockschläder, wie viele andere Unternehmen in dem Bereich, selbst nicht direkt zertifiziert. Stattdessen arbeitet Waldliebe mit zertifizierten, regionalen Herstellern zusammen, die dann wiederum mit zertifizierten Garnen arbeiten. Laut eigenen Aussagen habe man sich im Vorhinein ein Bild von diesen Betrieben gemacht und sich schließlich auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Bedingt durch die Tatsache, dass Waldliebe aber nicht selbst produziert, sondern lediglich mit zertifizierten Partnern arbeitet, darf das Start-Up auch nicht mit bestimmten Siegeln werben

Die Frage, ob Nachhaltige Mode und Kapitalismus vereinbar sind bejahte Stockschläder. Allerdings dürfe man Waldliebe nicht mit großen etablierten nachhaltigen Modelabels vergleichen. Ziel waren nie die größtmöglichen Gewinne. Vielmehr ging es um die Erfahrung, die Überzeugung von der Idee und den Prozess des Aufbauens. Grundsätzlich stehe man der Möglichkeit, dass das Unternehmen wächst, offen gegenüber, aber es sei nie das Hauptziel gewesen. Die Frage sei, wohin der Trend geht. Ob die Leute nur vorgeben, bereit zu sein, mehr Geld für nachhaltige Mode auszugeben, oder ob sie es tatsächlich auch machen.

Mit dieser Aussage leitete Herr Stockschläder unfreiwillig zu meiner Hauptfragestellung des Interviews über. Welchen Ansatz wählte man, um das bekannte Problem der Attitude-Behaviour-Gap zu überwinden?

Grundsätzlich sei dieses Phänomen bekannt und bei der Gründung ein wichtiges Thema gewesen. Als Vorbemerkung konstatierte Herr Stockschläder, dass man zu Beginn Glück hatte, dass das Projekt von Freunden unterstützt wurde. Der Start wurde dadurch sozusagen erleichtert. Man ist der Meinung, dass es ein gesteigertes Bewusstsein gäbe, allerdings gehe man auch davon aus, dass man nicht die breite Masse anspricht. Das bedeute, dass man mit Menschen, die nicht bei Waldliebe eingekauft haben, weil die Mode 20 oder 30 Euro zu teuer ist, auch nicht in Kontakt getreten sei. Man selbst habe nie groß Werbung geschaltet, um jeden abzuholen, da das ohnehin nicht möglich sei. Es müsse eine Wertwandel im Großen und Ganzen erfolgen. Anschließend beschrieb Herr Stockschläder den eigenen konkreten Ansatz, um die Attitutde-Behaviour-Gap zu überwinden. Wichtig war den Gründern ein regionaler Aspekt. Sie wollten etwas Realistisches schaffen, was man direkt mit den Augen sehen kann und einen kleinen Beitrag zu einer besseren Umwelt leisten. Schnell war klar, dass es mehr braucht als nachhaltige Kleidung. Man wollte dem Käufer eine weitere positive Dimension aufzeigen. Mit dem Kauf eines Waldliebe-Produkt, soll dieser in doppelter Hinsicht etwas Gutes tun. Wenn er sich für das Label entscheidet, tut er ganz gezielt etwas für die Umwelt. Etwas, dass der Kunde wirklich sehen kann, denn für jedes verkaufte Produkt, pflanzt Waldliebe einen Baum, um den Baumbestand in der Umgebung wieder zu erhöhen. Bei großen Baumpflanzaktionen haben die Kunden dann sogar die Möglichkeit sich selbst ein Bild davon machen, was sie gerade mit dem Kauf mitbewirkt haben. So könne man auch eher die Nachhaltigkeit des Produkts vermitteln als durch Siegel oder andere Dinge. Zumal der Kunde ohnehin einen gewissen Vertrauensvorschuss dem Unternehmen entgegenbringt, den viele bei Siegeln nicht hätten. So können man Vertrauen schaffen, indem man die eigene Nachhaltigkeit, sowie die damit verbundene Glaubwürdigkeit, für alle offensichtlich machen könne.

Für die Zukunft wünscht sich Robin Stockschläder in erster Linie, dass das Projekt weiterlaufen kann, sodass man weiterhin einen Teil dazu beitragen könne, das Bewusstsein zu schärfen und vor allem die Heimat mit weiteren Baumpflanzaktionen zu unterstützen. Ziel sei es auf neu bewaldeten Flächen zu stehen und zu sehen, was man mit dem eigenen Handeln geleistet hat.

Fazit, Limitation und Einordnung der Interview-Daten

Anders als zunächst geplant, war nur ein Unternehmen bereit, in dem mir möglichen zeitlichen Rahmen, an einem Interview teilzunehmen. Die drei anderen Modelabels, haben sich entweder nicht zurückgemeldet, oder einen späteren Zeitraum vorgeschlagen, der allerdings nicht mit der Deadline dieser Arbeit vereinbar war. Dadurch ergibt sich nur ein Interview-Partner. Aufgrund der damit verbundenen Reduktionen von Daten, habe ich mich gegen eine dezidierte Auswertungs-Methode entschieden. Eine Inhaltsanalyse nach Mayring, die bei mehreren Gesprächspartnern zum Einsatz gekommen wäre, oder andere Methoden zur Codierung des Transkripts, erschienen angesichts des geringen Materials als obsolet. Die Limitationen dieser Arbeit sind damit auch bereits geklärt. Dennoch kann der spannende Ansatz von Waldliebe als Best Practice Beispiel herangezogen werden. Auch wenn ein Vergleich mit anderen Versuchen zur Überbrückung der Attitude-Behaviour-Gap, im Sinne dieser Arbeit und der generellen Forschung zum Thema, gewesen wäre.

Unabhängig davon, ist der Ansatz, den Waldliebe genutzt hat, um die Attitude-Behaviour-Gap zu überbrücken sehr interessant und könnte sich, insbesondere, wenn das Projekt, in Zukunft in einem größeren Rahmen aufgezogen werden soll, als durchaus effektiv erweisen Herr Stockschläder nennt klare Punkte, die seinen Ansatz von anderen nachhaltigen Modelabels abheben. Der Käufer, sieht was er tatsächlich mit seinem Kauf bewirkt. Bäume werden gepflanzt, dem Waldsterben vorgebeugt. Selbst, wenn der Wert, die Qualität, oder die Glaubwürdigkeit des Produktes in Frage gestellt wird, Herr Stockschläder sprach in diesem Zusammenhang von einem Vertrauensvorschuss, wird dem Kunden eindeutig der nachhaltige Charakter seines Produkts demonstriert. Er kann sogar selbst, sofern er das will, bei den regelmäßig stattfindenden Baumpflanzaktionen tätig werden. Eine solche Taktik schafft Vertrauen und binden einen Kunden womöglich effektiver an ein Unternehmen als etwaige Siegel, bei denen der wahre Wert für den Endverbraucher nur schwer einschätzbar ist. Die Idee ist also grundsätzlich logisch nachvollziehbar und scheint auf den ersten Blick einen effektiven Lösungsweg zur Überbrückung der Attitude-Behaviour-Gap darzustellen. Doch zur Wahrheit gehört auch dazu, dass Waldliebe nach einer anfänglichen Hochphase, die auch unter anderem auf die Mithilfe von Freunden und Bekannten der Gründer zurückzuführen ist, Schwierigkeiten hat, die Produkte konstant an den Kunden zu bringen. Aktuell ist nicht abzusehen, ob Waldliebe weiter bestehen kann. Ein Punkt, der Fluch und Segen zugleich sein könnte ist dabei der regionale Aspekt. Herr Stockschläder wurde nicht müde zu erwähnen, dass man in der Region etwas bewirken möchte. So ehrenwert dieser Ansatz auch ist, grenzt er in der Theorie bereits den Kundenkreis stark ein. Es ist zwar klar, dass man zu Beginn klein startet und sich Ziele in einem realistischen Maßstab setzt, aber nachdem dann ein erster Schwung lokaler Kunden eingekauft hat, gehen dem Unternehmen mit diesem Ansatz schnell die Käufer aus. In der Region Westerwald und dem Gebhardshainer Land hat man durchaus einige Menschen für das Produkt und die Vision begeistern können. Darüber hinaus wird es mit dieser Strategie aber schwer. Der Borkenkäfer hat im direkten Umfeld der Gründer die Waldbestände stark ausgedünnt. In anderen Regionen sieht es zum Glück noch anders aus. Die Strategie das Baumpflanzen als Kaufgrund zu etablieren ist dort womöglich weniger effektiv. Das heißt allerdings nicht, dass nachhaltige Unternehmen von derartigen Herangehensweisen absehen sollten. Das konkrete Angehen von lokalen ökologischen Problemen macht, wie erwähnt, Sinn. Trotzdem kann es auch gleichzeitig ein limitierender Faktor sein. Basierend auf diesem Konzept, sind jedoch auch anderen Möglichkeiten denkbar. Vor allem eine Verflechtung und Zusammenarbeit der Unternehmen wäre eine zusätzliche Möglichkeit. Eine Idee könnte zum Beispiel so aussehen, dass Waldliebe dem Konzept des Bäumepflanzens treu bleibt, aber gleichzeitig ein Gutschein-System hinzufügt. Mit dem Kauf bekommt der Kunde etwa einen Gutschein, bei einem anderen Slow-Unternehmen. Dieses über Provisionen finanzierbare System vernetzt nicht nur die verscheiden Unternehmen, sondern sorgt auch dafür, dass Kunden überregional auf bestimmte Labels, aber auch die ökologischen Probleme in der Umgebung des Unternehmens aufmerksam werden. In der Theorie ist es auf diese Weise möglich, das Bewusstsein zu erweitern und den Kundenkreis zu erweitern. Praktisch lässt sich das Kaufverhalten aber schwer vorhersagen. Neue innovative Ansätze sind daher notwendig, um herauszufinden, was am Ende wirklich funktioniert. Waldliebe hat in dieser Hinsicht mindestens einen interessanten Denkanstoß geliefert.

Literatur

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